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Alpenüberquerung 2016

Ein Athletenbericht von Susanne Haun zur Alpenüberquerung 2016:

 

"Mit dem Rad über die Alpen", was ein Traum! Doch mit sorgfältiger Planung und Organisation wird dieser Traum zur Wirklichkeit.

So überqueren 5 TVG Ausdauersportler mit dem MTB die Alpen. Als Begleitfahrerin unterstütz Silvia das Vorhaben mit ihrem Mercedes. Sehr schnell stellt sich heraus das Silvia die wichtigste Person der TVG-ler ist. Das komplette Fahrzeug dient als Transport für Gepäck, Werkzeug und allem was sie als Begleitfahrerin für nötig hält um uns MTB-ler bei bester Gesundheit und motiviert auf der Strecke zu wissen. Den Beifahrerplatz hat sie Carlos I gegeben, der ihr reichlich Herzklopfen und Schweiß beschert hat.

 

Greinau - Imst

60,9 km 1510 hm

Die MTBTour beginnt in Grainau am Fuße der wolkenverdeckten Zugspitze. Mit 2 km Einrollen geht es gleich heftig den Berg hinauf Richtung Eibsee. Nach einer schweißtreibenden ¾ Stunde leuchtet es türkisblau durch den dichten dunkelgrünen Wald und wir werden mit einer herrlichen Aussicht auf den unten liegenden See belohnt. Schon nach dieser Auffahrt ist uns klar, was uns die nächsten Tage erwartet. Das wird kein Ponyhof-Ausflug.

Bergab umrunden wir den Eibsee auf einem Panoramaweg, um dann zur Hochthörlehütte auf einer Schotterstraße hinaufzufahren, die auf 1459 m liegt. Ein kurzer Stop und dann der erste Downhill auf Asphalt, vorbei an der Talstation der Zugspitzbahn hinab nach Ehrwald (1020 m), weiter Richtung Fernpass und nach einer kurzen Abfahrt schauen wir auf den kristallklaren Fernsteinsee. Ein super Trail führt wieder abwärts und wir rollen durchs malerische Gurgltal unserem 1. Etappenziel Imst entgegen.

Silvia ist schon vor Ort und hat sogar dafür gesorgt dass alle Koffer auf den Zimmern sind. So ein Empfang ist Gold wert und wird gleich mit einem Bierchen und reichlich Kommentar gekrönt. Alle regenerieren sich in der Sauna und genießen den Luxus.

 

Imst - Nauders

85,5 km 1392 hm

Wir leben diese Tage aus dem Koffer und so ist es morgens chaotisch, bis jeder seinen Tagesrucksack gepackt, das übrige Gepäck im Mercedes verstaut und Check-up an den Räder gemacht ist. Silvia kann in Ruhe nochmal einen Kaffee trinken wenn sie uns alle los hat.

Wir radeln munter von Imst Richtung Landeck entlang des Jakobsweges, weg von der Basisstrecke um eine anspruchsvollere Variante zufahren. Flowig  geht der Trail los und verengt sich zu nassen Wurzelpassagen an denen es die 3 waghalsigen Männer gleich nacheinander hingelegt. Hier müssen wir alle unsere Räder einige Male schieben oder zwischen den Felsabschnitten nach oben weiter geben. Ich bin froh als es irgend wann auf einem Radweg weiter geht. Nach Landeck am Inn entlang kommen wir an einen Badesee und entdecken Silvia auf der Terasse des Lokals sitzen. Pause für alle. Leicht bergauf folgen wir dem Radweg Richtung Pfunds. Nach einer kurzen Abfahrt erreichen wir die Schweiz und weichen an der Zollstation in Martina von der Basisroute ab, fahren stetig und mühsam über eine heftig ansteigende Schotterpiste durch einen dunklen tropfenden Tunnel und werden dafür mit herrlicher Aussicht belohnt. Es geht noch ein kurzer Trail abwärts zur Norbertshöhe (ca.1450 m). Dort gönnen wir uns ein Bier und können Nauders sehen das wir nach 5 min Abfahrt erreichen.

Im Bikerhotel wartet Silvia schon auf uns und hat selbst viel Erlebtes zu erzählen.

Sie ist am Grenzübergang "verdächtig" aufgefallen und durfte den kompletten Wagen ausräumen, alle Koffer, Taschen und Werkzeugkisten öffnen. Ein arbeitsintensives Abenteuer. In allen Koffer zu wühlen und den Geruch der getragenen Wäsche um die Nase macht wahrlich keine Freude. Sie nimmt's mit Humor und Carlos I wird zum neuen Begleiter.

Wie jeden Abend verschlingen wir riesengroße Portionen, schlendern durch die Gassen und gönnen uns noch ein Eis.

 

 

 

 

Nauders - Meran

100 km 1252 hm

 

Heute, der dritte Tag mit Abschluss in Dorf Tirol und morgen Ruhetag, darauf freue ich mich schon die ganze Zeit. Ein schönes Hotel mit Sauna und Pool, Zeit für Ruhe u Erholung.

Wir Mädels gehen den Tag gechillt an und fahren gleich zu Beginn die 700 hm mit der Gondel zur Stieralm hoch, sonnen uns und warten 2 Stunden auf die "Harten Jungs". Da haben wir mit der Gondlfahrt doch alles richtig gemacht. Der Tag bringt noch genug Überraschungen.

Gemeinsam fahren wir einen breiten Schottertrail, dazwischen Wiesen mit pizzatellergroßen Kuhfladen zum Palmorter Boden mit den berühmten Panzersperren aus dem Zweiten Weltkrieg und schlängeln uns durch die Betonpfeiler. Oben an der Palmorter Spitze (2083m) haben wir einen unbeschreiblichen Ausblick zum Reschensee. 

Es kommt ein Gefühl der Dankbarkeit aus meinem Herzen, das alles sehen und erleben zu dürfen, gesund zu sein und mit meinem Mann diese Tour zu fahren.

Wir nehmen wie so oft die technisch anspruchsvolle Trail  Abfahrt (die schwierigste um nach unten zu kommen). Die sind wir alle mit größtem Respekt abgefahren, haben teilweise die Räder geschoben und getragen. Zwischen den breiten Felsen hat es Irene vom Rad gehauen und Kopf vor ins Gestrüpp gelegt. Echt Glück gehabt, sie hätte auch auf den Felsen aufschlagen können. Der Trail endet mit einer gemütlichen Fahrt am Reschensse entlang. "Jetzt nur noch 80 km bergab rollen lassen bis Meran". Von wegen!  Außer der tollen Aussicht hatten wir dauernd Sonntagsfahrer und andere Hindernisse auf dem Weg, nach einer Kaffeepause in Glurns, auch noch enormen Gegenwind und kein Bock mehr. Die Fahrt zieht sich ewig lang bis Meran. Gut ist, dass wir immer noch oberhalb Meran sind weil wir ja in Dorf Tirol (200hm über Meran) gebucht haben. Also oben bleiben, aber mit jedem Ort kommen wir weiter nach unten bis wir schließlich unten in Algund raus kommen und mit aller letzter Kraft die verdammten 200hm nach Dorf Tirol mit leeren Trinkflaschen bei glühender Hitze hochtreten.

" Silviaaaaaa. Die Gieskannne"!!!

Sie ist da, mit Gießkanne, welch ein Segen. Nach ordentlichen Kneipp-Güssen mit der Gießkanne von Kopf bis Fuß und zurück fangen wir wieder an zu lachen, Silvia verwöhnt uns noch mit einem Südtiroler Vesper aus Schinken, Käse und Trauben, der Hausherr bringt gleich Bier für jeden und alle sitzen glücklich im Schatten des 4*Hotels. Morgen Pausetag.

Den Tag nutzen wir Mädels zum Erholen und werden mit Sekt im Wirlpool von Silvia verwöhnt. Die Jungs basteln an den Räder und reparieren manches kaputt. Es regnet, wir laufen nach Meran,  geben Geld aus und fahren mit dem Bus zurück. Einer fährt mit seinem Rad bei strömenden Regen 250 hm in 28 min von Meran nach Dorf Tirol.

 

Meran - Gless

2000 hm  81 km

Nicht immer einig sind sich die verschiedenen Garmin's so dass wir uns beim Fahren öfter auf die Landkarte verlassen.

Zwischen Vinschgau und Val di Non liegt der Gampenpass. So trennen sich die Provinzen Südtirol und Trentino, quasi vom Deutschen zum Italienischen Sprachgebrauch.

Auf geht's zum "Passo Palade", den Gampenpass. Das Einrollen nach Lana, ein easy going; dann die erste Reifenpanne, die etwas handwerkliches Geschick, einige Gaspatronen, Zeit und vor allem gute Laune kostet. Der letzte Rest meiner guten Laune schwindet als es auf Asphalt bis zu 25% Steigung hinauf nach Völlan geht. Wenn es nicht so prächtige Blumen am Wegrand, oder die eindrucksvolle Tiefblicke wie ins Etschtal gäbe.

würde ich nie solche kraftkostende Strapazen über mich bringen (bekloppt oder begeistert, was liegt näher?). Auf diesem Abschnitt sehen wir die Südtiroler Berge wie den Schlern, Langkofel, Sella, Geisler Spitzen, Rosengarten. Auf ca. 1300m Höhe stoßen wir auf die Gampenpassstraße und fahren die letzten 200 hm auf Asphalt 4km nach oben, durchfahren 2 Tunnels und haben ständig eine prächtige Aussicht ins Etschtal.

Da wäre ein RR nützlich. Hier sind kaum Autos unterwegs, nur verrückte mit RR und MTB die sich alle am Schild Gampenpass 1518m fotografieren lassen.

Unser Engel Silvia ist natürlich schon da, trägt uns mental die letzten hm nach oben, hat unsere Wechselklamotten parat, dazu reicht sie Bananen, welch ein Luxus.

Die Abfahrt, einfach nur geil!

Während der Kaffeepause wird schon wieder beschlossen dass wir doch eins drauf legen können und den Wasserfallweg statt Basisroute nehmen. Eine Piste in stetem Auf und Ab, den Wasserfall im Blick, durch einen wurzeligen Wald und herrlicher Aussicht immer am Wasser entlang. Ich rutsche über die Wurzeln weg und Zack, lieg ich im Graben neben meinem Rad. Noch voller Endophine steig ich auf' s Rad und frag Heinz ob er meinen sensationeller Sturz gefilmt hat.

Harald hat die Analyse vorher schon parat. Falsch gebremst!

Der Weg führt weiter durch Ortschaften mit typisch italienischem Flair. Durch Blumen geschmückte Gassen, vorbei an malerischen Häusern geht es auf den tiefblauen Stausee Lago di Santa Giustina zu. Eine lange Brücke führt über den See. Wir können den Blick nicht abwenden, so sehr beeindruckt es uns. Die Sonne ist schon weg und wir müssen weiter, fahren über die Brücke und genießen es, rechts und links unter uns das Wasser, die Wälder, die gesamte Umgebung in unserem Bewusstsein zu speichern.

Spät erreichen wir das schöne Dörfchen Cles.

Der Hotelgarten super, Bier fast schon gezapft und die Schlüssel liegen auf dem Tisch, "dafür lieben wir dich Silvia".  Jetzt nach dem Bier tut mir alles weh. Das Knie ist blutig, die blauen Flecken zeichnen sich ab und ich bin sooo müde. Morgen der letzte Tag.

 

 

Cles - Torbole del Garda

1295 hm  86 km

Während die Jungs an den Räder basteln haben Irene und ich Zeit uns zu dehnen. Sie zeigt mir ein paar Übungen und fleißig dehne und stabilisiere ich meinen Körper um diesen zum letzten Mal über alle Berge zu bringen.

Wir fahren durch zahlreiche Dörfer des Val di Non nach Sporminore, wo der erste Anstieg in der Brenta auf uns wartet. Hier kann ich in Ruhe mein Rad ein paar hm auf den Schotter schieben weil die Jungs anderen MTBler bei einer Panne helfen. Schieben war genau das richtige für meine müden Beine. Der nächste Aufstieg mit 500hm bringt uns in den Wintersportort Andalo. Mit Silvia treffen wir uns am Molveno See und liegen in der Sonne, picknicken und beobachten die Tandem- Gleitschirme auf ihren Runden. Weiter am See entlang fahren wir „wellig“ zur langen Abfahrt nach Ranzo. Bei dieser Fahrt überblicken wir die herrliche Bergwelt.

Eine kleine Pause legen wir ein um Irene's platten Reifen zu wechseln. Bei so einer Aussicht ist das Warten ein Genuss. Jürgen zeigt mir in welches Tal wir fahren um dann am Gardasee rauszukommen. Von oben sieht das aus als würden wir heute noch die Welt umrunden. Plötzlich kommt die Abfahrt nach Ranzo. Ein kleines Dörfchen mit verwinkelten Gassen und wir wissen nicht so recht wo es runter geht. Die freundlichen Bewohner deuten alle auf einen schmalen Weg und wir folgen den Rat des Bauers der uns vom Traktor auch noch in die Richtung schickt ohne dass wir ihn angesprochen haben. Ich kann es nicht beschreiben was ich an dieser langen steilen Abfahrt gefühlt habe. Endloses Loslassen, Bewunderung, Mut, Angst. Bis mich der Gestank meiner Bremsen zurück holt und ich mit klaren Kopf die letzten Meter runter fahre. Nach 400hm sind wir unten angekommen und lassen alle erst mal das Erlebte sacken. Beflügelt fahren wir die letzten 30 km zum Gardasee. Jürgen gibt richtig Gas dass wir Mühe hatten, dran zu bleiben. Und mit Schwung sind wir in Torbole am Ufer des Gardasees.

Wir haben unser Ziel erreicht.

Ein Gefühl der Erleichterung, Stolz und Dankbarkeit steigt in mir auf. Ich stehe auf dem Kies und halte mein Rad fest, Irene und Heinz links neben mir während Jürgen und Harald schon mit dem Vorderreifen im Wasser sind.

Jeder verarbeitet auf seine Weise das Geleistete der letzten Tage. Irgend wann kommen wir zusammen, laufen einfach ins Wasser und genießen diesen Augenblick. Selbst Silvia steht mit Hose bis zum Po im Wasser und freut sich mit uns. Sie fotografiert uns und bereitet uns am Ufer einen feierlichen Empfang, dass alle Umstehenden staunen, genau wie wir. Sie legt uns Mädels eine Schärpe um die Schulter mit der Aufschrift  "Alpenqueen 2016", die Männer bekommen eine mit "Alpenkönig 2016". Es gibt Sekt auf der Picknickdecke und ein Handtuch für die nassen Füße. Ich bin überwältigt.

Wir waren 396 km zusammen unterwegs und sind 7452 hm gefahren. Es gab keine nennenswerte  Verletzungen oder größere Pannen. Wir hatten die beste fürsorglichste Betreuung im Begleitfahrzeug und täglich Sonnenschein. Die Tour war für uns alle ein sensationelles Erlebnis. Zur Belohnung gönnen wir uns noch einige Tage am wunderschönen Gardasee.