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Home2home – Mein erster Ultra auf Trails von Frankfurt nach Großwallstadt

Steffen Suffel: 60,13 km, 550 hm, Brutto: 6:30:19 [h:mm:ss], Netto: 6:09:10 [h:mm:ss]

 

„Manchmal ist weniger mehr“, riet mir ein erfahrener Triathlet als es um diesen Athletenbericht ging.

So viel vorweg, ich denke ein kurzer Text wird mir nicht gelingen. ;-)

 

„Manchmal ist weniger mehr“, das war nun wirklich nicht das Motto meines „Home2Home“ Ultralaufs von Frankfurt nach Großwallstadt.

 

Die Idee wurde geboren:

Als ich 2019 nach langer Verletzung wieder ins regelmäßige Laufen eingestiegen bin, war an lange Distanzen noch nicht zu denken. Aber getrieben durch meinen unstillbaren Wissensdurst nach Informationen und Stories rund um das Laufen, bin ich im Mai 2019 auf die Podcasts  „fatboysrun“  & „läuft bei mir“ gestoßen.

 

Die zwei Podcast-Hosts Philipp und Michael waren für mich der perfekte Mix, um immer tiefer in die Laufwelt einzutauchen. Philipp trainierte für seinen „home2home“ von Utrecht nach Karlsruhe. Michael, Trailrunning Coach aus Füssen, schrieb ihm die Trainingspläne.

 

Und in meinem Kopf spukte seither der Gedanke: „Home2home? Trailrunning? Ultralaufen? Hört sich geil an… das will ich auch.“

 

Training & Pandemie:

Nur so vor mich hinlaufen, stumpf einen Trainingsplan befolgen – das ging mir nicht weit genug. Ich wollte verstehen wie das alles zusammenhing. Daher folgte ich dem Trailrunning Coach Michael Arend auf allen Kanälen. Insbesondere der Mix aus der eigentlich grauen Theorie rund um die physiologischen Abläufe und sein extrem datenbasierter Trainingsansatz faszinierten mich. Ich sog alles auf wie ein Schwamm, kaufte Michas Trainingspläne und befolgte seine Trainingsdidaktik bei meinen selbst geschriebenen Trainingsplänen.

 

Ultratrail-Running – das nistete sich in meinem Kopf ein und ließ mich bis heute nicht mehr los.

 

Eigentlich stand im April 2020 der Marathon Madrid auf dem Plan. Doch es kam diese Pandemie dazwischen. Also wurden meine „home2home“ Pläne konkreter. Die ersten vagen Streckenpläne führten noch am Main entlang. Doch eine Verletzung (ITBS) legten die Pläne schnell wieder auf Eis.

 

Der erste Anlauf:

Nach auskurierter Verletzung ging es zum Training das erste Mal in den Taunus – ab auf die Trails, Höhenmeter schrubben. Der Urlaub im Allgäu wurde zum Trainingslager, alpines Gelände, 800hm am Stück.  Ich konnte und wollte mir nichts mehr anderes vorstellen. Ich hatte meine Passion gefunden.

 

An Halloween begleitete ich schließlich einen befreundeten Ultratrail Läufer (Benni) bei seinem ersten 100km Lauf auf dem Wispertaunussteig. Für mich wurde es mein zweiter Marathon, diesmal gespickt mit über 1.500 Höhemetern. Nach knapp 5h auf dem Beinen wusste ich: HOME2HOME, das will ich, das schaff‘ ich.

 

Ich veränderte die Strecke. Anstatt 50km am Main entlang suchte ich mir über Komoot schöne Trailstücke. Am Ende standen 60 km über schöne Pfade, Waldwege und wenig Asphalt. Die nötige Würze kam mit ein paar (wenigen) Höhenmetern über den Wartturm und den Wald zwischen Mömlingen und Großwallstadt dazu.

 

Ein Termin war schnell gefunden. Am 19. Dezember 2020 wollte ich die Strecke unter dem Motto „running home for christmas“ in Angriff nehmen.

 

Doch machen wir es ausnahmsweise einmal kurz: Daraus wurde nichts. Zwei Wochen vor dem Lauf meldete sich das Knie – diesmal das Linke. Außerdem stand die Geburt unserer Tochter kurz bevor. Vom Krankenhaus hieß es: „Corona-Symptome à Kreißsaalverbot“. Ich wollte absolut nichts riskieren. Keine langwierige Verletzung und schon gar keine Erkältung, denn diese würde bedeuten, dass ich nicht bei der Geburt unserer Tochter dabei wäre.

 

HOME2HOME – Frankfurt à Großwallstadt – 60km

Nach der Geburt unserer Tochter reduzierten sich die Trainingskilometer. Die Form sank. Im Rückblick war es vielleicht genau die Pause die ich benötigt hatte. Nachdem ich im März die Umfänge wieder erhöhte und insbesondere die längeren Trailläufe sich wieder richtig gut anfühlten stand Mitte April fest: Vatertag, next attempt.

 

Ein paar Begleiter und Helfer für Verpflegungsstationen waren schnell (wieder-)gefunden (alle geimpft und/oder getestet).

 

Und schließlich ging es am 13. Mai 2021 um Punkt 7:22 Uhr auf die Strecke. Mit meinem ersten Begleiter Benni vergingen die ersten 10 km wie im Flug. Wir hatten uns lange nicht gesehen und so einiges zu erzählen. Wir liefen schön nach Puls, um auf keinen Fall etwas zu riskieren. Ankommen war das Ziel.

 

Nach 15 km stieg der nächste Ultratrailerfahrene Begleiter ein. Benny hatte schon etliche Ultras in den Alpen gefinisht und nutzte meinen Lauf spontan zur Vorbereitung auf seinen geplanten Start beim UTMB (Ultra-Trail Mont Blanc) im Sommer. Nun hatte ich

wahrlich zwei Cracks an meiner Seite, die mich bis nach Großwallstadt begleiten würden – dachte ich.

 

Laufen nach Puls, daraus wurde nichts. Zumindest nicht für Benni. Die zwei Wochen zurückliegende Corona-Impfung ließ seinen Puls zunächst Achterbahn fahren und mündete schließlich in seiner Aufgabe nach 22 km. Also ging es zu zweit weiter. Wir redeten über dies und das. Benny erzählte so einige Anekdoten Alpenrennen und plötzlich waren wir schon bei km 35. Die erste Verpflegungsstation war nach 3:39:28 [h:mm:ss] erreicht. Hier sollte Volker mit einsteigen. Und recht spontan stand da auch mein Papa mit dem Fahrrad, der war erst bei VP2 nach 50km eingeplant.

 

Schnell verpflegt, Wasser nachgefüllt, Gels und Riegel eingepackt. Regenjacke aus dem Laufrucksack ins Auto geschmissen. Mit einer kalten Cola in der Hand gings nach sieben Minuten weiter. Ich hatte noch gute Beine. Auch mein linkes Problemknie hielt sich noch vornehm zurück.

 

Die nächsten sieben km vergingen gefühlt wieder wie im Flug. Der vorhergesagte Regen blieb aus. Stattdessen ging es bei steigenden Temperaturen und strahlender Sonne hinauf zum Schaafheimer Wartturm. Fast oben angekommen passierten wir die Marathonmarke nach 4:34:37 [h:mm:ss]. Ab jetzt war ich noch nie weiter gelaufen.


 

Im Downhill war dann entspannt Zeit um sich aus dem Verpflegungsfahrrad Wasser nachzufüllen. Ich fühlte mich super, Benny gab mir ein paar von seinen Carbo-Gums, die ich mit einer Cola runterspülte; scheiß auf „keine Ernährungsexperimente während eines Rennens“. War ja kein Rennen. 

 

Wir bogen ein auf den Singletrail der ehemaligen Bahnstrecke zwischen Pflaumheim und Mömlingen.

Die leichte Steigung würde man unter normalen Umständen gar nicht merken. Aber hier hielt ich dann zum ersten mal doch die Klappe. Mit 47 km in den Beinen wollte ich den Puls nicht unnötig in die Höhe treiben. Zudem machte mir dann doch das erste Mal der Magen leichte Probleme.

 

Am Parkplatz Hesselburg zwischen Mömlingen und Pflaumheim dann der zweite echte Verpflegungspunkt. Papa war vorgefahren und hatte alles auf einer Bank bereitgelegt. Hier gings diesmal aber etwas schneller. Zwei drei Schlucke Cola, ein Schokobrötchen - weiter gings. Damit hatten meine beiden Begleiter Volker und Benny nicht gerechnet. Und so ging es alleine der 50km Marke entgegen. Diese war nach 5:30:36 [h:mm:ss] erreicht – ich hatte meinen ersten Ultra geschafft. Ich feierte kurz alleine und hatte ein bisschen Gänsehaut. Kurz darauf spürte ich das erste mal ein leichtes ziehen in Beinen. Das war ein Zeichen - jetzt kurz vor Schluss und völlig euphorisiert bloß nicht übertreiben. Am höchsten Punkt der Strecke hatten mich meine Begleiter wieder eingeholt. Und wir machten uns gemeinsam auf die letzten 10 km.

 

 

„Es Pferdsche riescht de Stall“

Beim Verlassen des Waldes mit Blick auf Großwallstadt war klar, das würde ich schaffen.

Die Strecke führte uns nun vorbei am Honisch Beach und am See entlang. Kurzer Fotostopp, weiter runter zum Fahrradweg und vorbei an der Blauen Brücke. Am Grenzstein noch ein schnelles Foto und  schon nahmen wir die letzten Meter in Angriff.

 

 

Und schließlich war es da. Das Ortsschild „Herzlich Willkommen - Gemeinde Großwallstadt“. Ich hatte es geschafft. Jetzt nur noch zu meinem Elternhaus und mein erster Ultramarathon ist Geschichte. Beim einbiegen in den Mozartring sprang die Uhr auf 60km, noch eine Kurve.

 

Und da stand Steffi mit unserer Tochter Mira. Schöner hätte ich es mir nicht vorstellen können. Die beiden in die Arme nehmend war ich angekommen. Mira verschlief zwar meinen großen Moment, ich war dafür umso glücklicher meinen ersten Ultra nach exakt 60,13 km und 06:30:19 [h:mm:ss] gefinisht zu haben.

 

 

Vielen Dank an meine Helfer und Begleiter:

 

Steffi & Mira

Mama & Papa

Benni, Benny & Volker

 

Tja und jetzt?

Nach dem Lauf ist vor dem Lauf.

Main-Tal-Ultratrail, 17. Juli 2021, 64 km, >1700 hm.

 

Manchmal ist “mehr” eben doch “mehr”.

 

Strecke:

https://strava.app.link/MEYq1QKGhgb